Die Dessauerin Sabrina Ehrle lebt seit sechs Jahren im australischen Sydney, wo die Buschbrände so nahe kamen wie kaum zuvor. Der Regen bringt zwar für die Australier die erste Atempause seit Monaten – aber auch neue Katastrophen.
Von Janine Gürtler
Über schlechtes Wetter hat sich Sabrina Ehrle selten so gefreut wie in den vergangenen Tagen. „Wir können endlich mal durchatmen“, sagt die gebürtige Dessauerin, die im australischen Sydney lebt. Denn der Regen vertreibt – zumindest vorerst – den beißenden Rauchgeruch, der für sie und viele Australier fast schon zum Dauerzustand geworden ist. Seit Monaten wüten auf dem Kontinent verheerende Buschbrände, die Natur und Zivilisation gleichermaßen verschlingen.
Klar, Feuer sind in Australien nichts ungewöhnliches. Hitzewellen, Dürren und Buschbrände gehören hier zum Sommer, der Down Under im Dezember anfängt, dazu. Aber diesmal ist es anders. Die Australier
erleben eine Brandsaison, die so heftig und tödlich ist, dass sie vielen erstmals Angst macht – auch Ehrle. Die 34-Jährige lebt bereits seit sieben Jahren in Australien, sechs davon in der Küstenmetropole Sydney.
„Es brennt hier ja immer wieder“, erzählt sie am Telefon, „aber so schlimm wie in diesem Jahr war es noch nie.“
Ganze Wälder sind verkohlt, Ortschaften wurden ausgelöscht. Eine gigantische Fläche, größer als die Niederlande, liegt in Asche gehüllt. Mindestens 28 Menschen sind gestorben, allein im Bundesstaat New South Wales, in dem auch Sydney liegt, wurden mehr als 3.000 Häuser sind zerstört. Und die Zahlen könnten noch weiter steigen.
Regen bringt neue Probleme
Denn auch wenn der jetzige Regen die Feuer zumindest etwas eindämmt, vorbei sind die Brände sind damit noch lange nicht. “Mit Regen allein lassen sich keine Buschbrände löschen”, sagt Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst. Denn Australien hat in den vergangenen drei Jahren unter extremer Trockenheit gelitten, in manchen Regionen ist seit Jahren kein einziger Tropfen gefallen. Das lässt sich nicht so einfach aufholen.
Hinzu kommt: Regengüsse und Gewitter bringen auch neue Probleme. Blitze haben zum Teile neue Feuer entfacht, im Bundesstaat Victoria wurden mehrer Straßen und Autobahnen überflutet, im australischen Reptilienpark nördlichen von Sydney mussten Tierpfleger Koalas vor den Fluten retten. “Durch die Brände ist die gesamte Vegetation verbrannt”, erklärt der Meteorologe das neue Wetterextrem. “Dadurch kann der verkohlte Boden die Wassermengen, die jetzt zum Teil herunterkommen, gar nicht mehr aufnehmen.” Mancherorts stehen Familien, die ihre Häuser in den Flammen verloren haben, nun vor den schlammig-braunen Überresten ihrer Existenz.
„Die Stimmung ist ziemlich bedrückt“, sagt auch Sabrina Ehrle über den aktuellen Alltag in Australien. Die 34-Jährige hat sich bei einer Weltreise in das Land und die Natur verliebt, als sie nach dem Studium mit einer Freundin quer durch Australien tourte. Sie hat sich mit kleineren Jobs über Wasser gehalten, hat in Pubs im australischen Outback oder als Bürohilfe ausgeholfen und sogar als Putzkraft gearbeitet, immer in 12-Stunden-Schichten. Hauptsache, sie sah in ihrer Freizeit etwas vom Land. Es gibt kaum eine Ecke Australiens, die die Dessauerin nicht kennt.
“Es ist definitiv kein Sommer wie sonst.”
Sie war in den Küstenstädten Perth und Esperance, in Broome, ist mit dem Camper einmal quer von Western Australia bis nach Queensland an die Ostküste gereist. Zurück in Deutschland hielt sie es nur ein Jahr aus, dann winkte eine deutsche Firma mit einem Sponsor-Visum. Heute arbeitet Ehrle im Bereich Marketing und Kommunikation eines israelischen Unternehmens.
Die Natur ist für Ehrle einer der Gründe, warum sie Australien so sehr liebt. Normalerweise ist sie zu dieser Jahreszeit oft draußen unterwegs, geht wandern oder spielt Tennis. Doch dieser Sommer ist anders. Weil Sydney immer wieder vom Rauch der Buschbrände eingeholt wird, sind auch ihre Unternehmungen im Freien deutlich weniger geworden. “Es ist definitiv kein Sommer wie sonst.”
Sydney von Feuern eingekesselt
Die Metropole an der Ostküste ist von Buschbränden im Norden, Westen und Süden umzingelt, noch immer zählen die Behörden allein 69 Brände rund um Sydney. Der nächste Feuerherd in den Blue Mountains ist nur etwa 80 Kilometer entfernt. „Der Rauch ist an manchen Tagen extrem“, erzählt Ehrle. Dann färbt sich der Himmel in einem trüben Grau oder tiefem Orange, das die gesamte Stadt zu verschlucken scheint. „Im Dezember war es am schlimmsten.“ Da gab es Tage, an denen selbst die Skyline Sydneys kaum noch zu sehen war. Und dann der beißende Geruch. Wenn sie an besonders schlimmen Tagen nur für fünf Minuten draußen ist, brennen ihre Augen, riechen ihre Haare und Klamotten. „Es ist, als ob man sehr lange ganz nah an einem Lagerfeuer steht“, beschreibt es die 34-Jährige.
Dennoch gehen die Menschen in Sydney weiter zu Arbeit. „Wir leben unser Leben hier so normal wie möglich weiter“, betont sie. Mit Atemmasken sei zumindest in Sydney kaum jemand unterwegs. Und trotzdem: Die Buschbrände sind allgegenwärtig. Immer wieder gibt es neue erschreckende Meldungen zu zerstörten Häusern und in den Flammen umgekommen Koalas oder Kängurus. „Es ist momentan nicht abzusehen, ob die Brände in dem Ausmaß zur Regelmäßigkeit werden“, sagt Ehrle. „Das ist auch die große Angst, die jeder hat – dass es so trocken bleibt und die Brände in Zukunft schon im Oktober anfangen, wenn es noch nicht einmal Sommer ist.“
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