Uwe Gerlach

In einem Dorf in Peru kreiert Uwe Gerlach aus Badersleben deutsche Spezialitäten wie Thüringer Rostbratwürste, Leberwurst und Schweinebraten. Wie kommt ein gelernter Lokführer dazu?

Von Janine Gürtler

Wenn Uwe Gerlach in seiner kleinen Küche im Amazonas sein Fleischermesser wetzt, ist er ganz in seinem Element. Es ist schwül-heiß, das Thermometer zeigt mehr als 30 Grad an, trotzdem trägt der 54-Jährige schwere Handschuhe aus Metall und ein Kettenhemd bei der Arbeit. Die braucht er, um das Schwein, das vor ihm auf dem Tisch liegt, fachmännisch zu zerlegen. 

Der Mann aus Badersleben im Harz hat sich wohl einen der ungewöhnlichsten Orte für deutsches Fleischerhandwerk ausgesucht. In Santa Clara de Nanay, einem kleinen Dorf mitten im Amazonasgebiet in Peru, kreiert er deutsche Spezialitäten wie Thüringer Rostbratwürste, Leberwurst, Sülze und Schweinebraten für Einheimische und Touristen, die sich hierher verirren. 

An zwei bis drei Tagen in der Woche arbeitet Uwe Gerlach in seiner eigenen Fleischerei. (Foto: Gerlach)

Dabei ist das Dschungeldorf von der Außenwelt nahezu abgeschnitten. Die einzige Straße weit und breit ist gerade mal zwölf Kilometer lang, und führt in die nahe gelegene Stadt Iquitos. Wer zu diesem entlegenen Flecken der Erde will, muss also entweder fliegen oder mit dem Boot anreisen. Trotzdem oder auch gerade deswegen fühlt sich der Sachsen-Anhalter hier sauwohl. „Mich kennt das ganze Dorf“, sagt der Metzger aus Sachsen-Anhalt. Schließlich falle er als „Gringo“ – so nennen die Lateinamerikaner weiße Europäer – und noch dazu als einziger Fleischer in Santa Clara immer auf. 

Neun Jahre Hausbau statt Urlaub

Vor zwei Jahren krempelte der gebürtige Sachsen-Anhalter sein Leben noch einmal völlig um. Er schmiss seinen Job als Lokführer, verkaufte sein Auto und wanderte nach Peru aus. Mit dabei: Seine Frau Nelly, die aus Peru stammt, und ihr gemeinsamer Sohn Enrique. Der Traum: Eine kleine Pension samt Restaurant mit typisch deutscher Küche in Nellys Heimat betreiben. Deutsche Hausmannskost in einem Dorf mit gerade mal 3.000 Bewohnern im Amazonas: Kann das überhaupt gut gehen? 

 „Das war keine Entscheidung von heute auf morgen“, antwortet Gerlach. Fast neun Jahre haben er und seine Frau Nelly auf diesen Traum hingearbeitet. 2009 kauft das Paar ein Grundstück in Santa Clara, baut sich hier Stück für Stück ein neues Heim. „Wir haben fast alles selbst gemacht“, sagt der Auswanderer stolz. Jedes Jahr fliegen sie für mehrere Wochen nach Peru, schuften auf der Baustelle statt Urlaub zu machen. Gerlach legt Wert darauf, dass ihr neues Zuhause nach „deutschen Regeln“ gebaut wird und bringt – „aus Sicherheitsgründen“, wie er sagt – Gitter an Türen und Fenstern an. „Ein Freund meinte mal im Scherz zu mir, ich hätte die Berliner Mauer nachgebaut“, erzählt er. 

Später kommt ein weiteres Grundstück hinzu, auf dem sie das Restaurant, eine Fleischerei und zwei Gästehauser bauen. Im Garten nebenan wachsen Kochbananen, Limonen, Sternfrüchte und Kokosnüsse. „Alles im Familienbetrieb“, sagt Gerlach stolz. Die Häuschen – graue Betonwände, Wellblechdach – sind einfach eingerichtet, 25 Quadratmeter groß, es gibt nur kaltes Wasser. Kein Fünf-Sterne-Hotel, das Luxusurlauber anlocken würde. Aber die will Gerlach auch gar nicht. Lieber sind ihm Gäste aus der Stadt, die „mal was anderes essen wollen” und an den Wochenenden zum Baden ins Dorf kommen. 

Deutsche Wurst kommt per Flugzeug

Seine deutsche Hausmannskost kommt sowohl bei den Einheimischen in Iquitos als auch bei Touristen und Auswanderern aus Europa gut an. „Teilweise verschicke ich Wurst auch per Flugzeug an Europäer in Tarapoto, Pucallpa und Lima.” Allein vom Restaurant und der Fleischerei leben können er und seine Familie allerdings noch nicht. In Deutschland vermietet Gerlach seine Wohnung, für sein Auswanderer-Abenteuer hat das Paar jahrelang gespart. „Wir haben zum Glück keine Wohnkosten hier, alles ist unser Eigentum.“

Und auch sonst packt er lieber selbst an, als sich auf andere zu verlassen. Dass er heute fachmännisch ein Schwein zerlegen kann, hat er sich größtenteils selbst beigebracht. „Zu sozialistischen Zeiten“, sagt Gerlach, „hatte ich einen Klassenkameraden aus einer Fleischerfamilie. Da hab’ ich morgens das Blut gequirlt, damit es nicht gerinnt und abends die Wurschtpresse geleiert.“ „Sozialistische Zeiten“, „Wurschtpresse“ – dass Gerlach aus dem Osten kommt, ist auch heute noch unverkennbar.

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