Nicht alles ist Glanz und Glamour in Los Angeles

Doch nicht alles ist Glanz und Glamor in einer Millionenstadt wie Los Angeles. Hier prallen Glitzerwelt und Realität hart aufeinander. „Die Stadt ist unglaublich heruntergekommen“, erzählt der Amerika-Auswanderer. Abseits vom Villenviertel Beverly Hills sind die Straßen dreckig, Zehntausende Menschen sind obdachlos. Das Viertel Skid Row, das an die Innenstadt von Los Angeles angrenzt, gilt als Amerikas größtes Ghetto für Obdachlose, Drogenabhängige und Kriminelle.

Und noch etwas hat Bloch schnell gemerkt: „Hier riecht es permanent nach Pommesfett.“ Für den Zugezogenen aber ist all das kein Grund, Los Angeles den Rücken zu kehren. „Ich finde es charmanter als eine sauber geleckte Stadt“, meint er. Er selbst wohnt in den Hollywood Hills – einer der besseren Gegenden – in einer hübschen Zweiraumwohnung. Er liebt sein Zuhause, das ewige Sommerwetter und die Umgebung. 

Blick auf Los Angeles. (Foto: Christian Bloch)

Bis er mit den US-Amerikanern selbst so richtig warm geworden ist, hat es allerdings eine Weile gedauert. Das lag auch an seinen Englischkenntnissen. „Ich habe die Leute am Anfang gar nicht verstanden.“ Erst nach einem halben Jahr konnte er die Radionachrichten ohne Probleme verstehen. Bis Christian Bloch schlagfertig genug war, um auf Englisch auch mal einen Witz zu reißen, hat es aber nochmal drei Jahre gebraucht.

“Hier riecht es permanent nach Pommesfett.”

Christian Bloch

Deswegen hat Bloch auch seine ganz eigene Theorie, warum die Deutschen bei den Amerikanern häufig als humorlos verschrien sind: „Wenn du die Witze nicht verstehst oder erst eine halbe Stunde später mit einem Konter antwortest, dann kommst du natürlich als stille Maus rüber, die keinen Spaß versteht.“ 

Kriegeropa mit Hämorrhiden ist Star seines ersten Films

Sein Leben in Hollywood hat Christian Bloch aber vor allem die Chance gegeben, seinen Traum zu verwirklichen: 2019 lief sein erster eigener Kurzfilm auf den Festivals, eine Hommage an den Science Fiction-Autor Terry Pratchett. „Troll Bridge“ erzählt die Geschichte einer der beliebtesten Helden aus Pratchetts „Scheibenwelt“ weiter, die des sagenumwobenen Barbarenkrieger Cohen. Alt und tattrig, ohne Zähne, dafür aber mit Hämorrhiden, sucht der Kriegeropa in Blochs Film seine letzte große Herausforderung: den Zweikampf mit einem Troll. 

An dem 25 Minuten langen Streifen, der ähnlich wie die Romane Pratchetts die Fantasy-Welt von vorn bis hinten veräppelt, hat Bloch ganze 15 (!) Jahre gearbeitet. „Wir haben uns ein bisschen Zeit gelassen“, scherzt der 43-Jährige. 

„Wir“, damit meint er die rund 550 Leute aus aller Welt, die gemeinsam mit ihm daran gearbeitet haben: 250 Freiwillige an der Produktion, 300 an den Effekten. Denn der per Crowdfunding finanzierte Film hat zwar einen Hauptdarsteller aus Fleisch und Blut, die restlichen Figuren aber sind von einem sprechenden Pferd bis hin zur Trollfamilie computeranimiert.

In tausenden Arbeitsstunden haben Bloch und sein Team auf der Plattform „Shotgun“, eine Art Facebook für Visual Effects Designer und Animatoren, jede einzelne Szene animiert. Für das Mammutprojekt hat Bloch sogar seinen Job bei Eden Fx an den Nagel gehängt. 

„Der Film war ein Vollzeitjob“, sagt der Animationskünstler, „vormittags habe ich mit meinen Leuten in Deutschland telefoniert, nachmittags mit dem Regisseur und Produzenten in Australien.“ Neun Awards hat der Streifen schon bei internationalen Kurzfilm-Festivals abgeräumt, darunter in den Kategorien „Visual Effects“, „Best Fantasy“ oder „Badass of the Year“, für zwölf weitere ist er nominiert. 

Laszive Wonderwoman auf Instagram

Wie es danach weitergeht, das weiß er noch nicht so genau. Derzeit ist Bloch als Freiberufler unterwegs, gibt Unterricht an der Gnomon School – eine bekannten Talentschmiede für Grafikdesigner in Hollywood – und macht Kunst auf Instagram. Im vergangenen Jahr hat er sich selbst eine „Daily Render Challenge“ auferlegt, also Tag für Tag eine neue von ihm animierte Grafik auf Instagram gepostet.

Für seine selbst erfundenen Lieblingscharaktere wie Carl der Gockel oder Natalie, eine Art laszive Wonderwoman mit täglich wechselnder Haarfarbe, lässt er sich immer wieder etwas Neues einfallen. Mal posiert Natalie walisische Kriegerprinzessin vor einer Festung, mal im Astronautenlook vor dem Kennedy Space Center. Hauptsache verrückt. 

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„Es klingt viel einfacher in der Theorie“, sagt Bloch, „vor allem wenn Deadlines im Job und persönliche Höhen und Tiefen dazwischen kommen.“ Gerade deshalb musste der Perfektionist lernen, auf Grafiken, die sonst vielleicht im virtuellen Papierkorb gelandet werden, genauso stolz zu sein, wie Werke, an denen er wochenlang gearbeitet hat. Gelohnt hat es sich für ihn auf jeden Fall. „Nach 20 Jahren als Visual Effects-Artist bin ich noch nie so sehr künstlerisch in einem Jahr gewachsen”, sagt der Hallenser, „und schneller geworden bin ich auch.”

https://www.instagram.com/p/B0SGWqaD0KK/

Einen neuen Job muss Christian Bloch sich jedenfalls nicht suchen: „Anfragen für Filme gibt es schon so viele, dass ich mir die Regisseure mühsam vom Leib halten muss”, scherzt er. Eines ist aber sicher: Zurück nach Sachsen-Anhalt zieht ihn vorerst nichts, auch wenn er seine Freunde und Familie in Halle vermisst und regelmäßig auf Kurzbesuch in Deutschland ist. „Ich habe hier noch einiges hier vor,” betont Bloch. Und schiebt hinterher: “Und Platz auf dem Bücherregal ist auch noch.” (mz)


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