An der Hochschule Magdeburg-Stendal entwickeln Studenten Kleidung der Zukunft. Zum Beispiel einen Handschuh, der Gebärdensprache lesbar macht. Aber smarte Textilien bergen nicht nur Vorteile.
Von Janine Gürtler
Magdeburg (dpa) – Besonders modisch sieht er nicht aus, der sprechende Handschuh. Über den rosaroten Stoff laufen Kabel kreuz und quer zu einer Metallplatte, die knapp hinter dem Handgelenk sitzt. Der futuristische Handschuh ist ein Studentenprojekt, der Sprache sichtbar machen soll, erläutert Professorin Steffi Hußlein. Die 49-Jährige lehrt Interaction Design an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Je nach Krümmung des Fingers übertragen Sensoren Buchstaben auf einen Bildschirm. Gehörlose können sich so Menschen verständlich machen, die nicht der Gebärdensprache mächtig sind. Das Modell sei noch ziemlich grob, sagt Hußlein. «Aber auch bei Sportherstellern werden Prototypen so gebaut.»
Die smarte Mode ist ein Nischenmarkt
«Wearable technology», also als Kleidungsstück tragbare Technik: So nennt sich die Verbindung von Textilien und Elektronik, die längst nicht mehr nur Fitnessarmbänder umfasst. Auch Kleidung wird cleverer: Jacken kühlen bei Hitze, Schuhe weisen per Vibration den Weg zum Zielort. Noch ist smarte Mode in Deutschland ein Nischenmarkt. Hußlein aber ist überzeugt, dass sie bald auch für den Normalverbraucher interessant wird. «Je intelligenter die Materialien werden, desto eher sind die Menschen bereit, Geld dafür auszugeben.» Der Studiengang Interaction Design pflegt deshalb engen Kontakt zur Industrie. Hier basteln Industriedesigner mit Elektrotechnikern und Maschinenbauern an intelligenten Steuersystemen, etwa für Autohersteller. «Unsere Studenten sollen sinnhafte Sachen entwickeln, die nicht nur blinken», sagt Hußlein.
Das Geschäft mit der smarten Mode, an denen die Magdeburger ebenfalls forschen, könnte sich aus Expertensicht rasant entwickeln. «Viele Entwicklungen schwappen aus den USA zu uns herüber», berichtet Klaus Jansen vom Forschungskuratorium Textil in Berlin, das die 16 deutschen Institute für Textilforschung koordiniert. Die Textilbranche beobachte mit Spannung Projekte wie etwa interaktive Jeans. Die Hose soll mit Touchscreen-Funktionen ausgestattet werden und so Smartphones steuern oder Licht ein- und ausschalten können. «Es ist toll, wenn textilfremde Branchen hier neue Wege gehen», sagt Jansen. Längst haben auch große Sporthersteller den Markt für sich entdeckt: Fußballschuhe zeichnen per App Sprints und Schüsse auf, T-Shirts messen dank leitfähiger Fäden Puls und Herzfrequenz.
Wirklich intelligente Mode muss interagieren
Aber nicht jedes mit Elektronik ausgestattete Kleidungsstück sei automatisch smart, meint Hußlein. Wirklich intelligent sei Mode erst, wenn sie interagiere. Als Beispiel nennt sie Kleidung, die Hitze erkenne und den Träger kühle. «Die Kleidung wird zur zweiten Haut.»
Verbraucherschützer warnen jedoch vor dem potenziellen Missbrauch persönlicher Informationen wie Herzfrequenz oder Kalorienverbrauch. So sorgte vor einiger Zeit eine Versicherungsgruppe mit der Idee für Schlagzeilen, Fitnessfreaks mit Prämien zu belohnen. Wer bereit ist, seine Fitnessdaten und Ernährungsgewohnheiten offen zu legen, kann auf Rabatt hoffen. «Will ich mir von Technik wirklich sagen lassen, wie viele Schritte ich heute noch zu laufen habe?», fragt Lars Gatschke vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Unternehmen würden sich durch solche Modelle konzernkonforme Verbraucher heranzüchten.
Dass intelligente Kleidung das Risiko zur totalen Überwachung birgt, räumt auch die Magdeburger Professorin Hußlein ein. Sie selbst trägt keine Elektronik auf der Haut. Eine bewusste Entscheidung, wie sie sagt. Nur in ihrer Handtasche seien Tracking-Sensoren eingebaut. «Damit ich weiß, wo ich sie liegengelassen habe.»
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